WBS und Ausbildungsduldung: Das müssen Sie wissen!

Geht Wohnberechtigungsschein (WBS) auch mit Ausbildungsduldung? Und was ist Ausbildungsduldung überhaupt? Das Verwaltungsgericht Berlin hat dazu entschieden.

Dieses Thema liegt an der Schnittstelle von gleich drei Rechtsgebieten. Der Wohnberechtigungsschein ist eine Sozialleistung (Sozialrecht), der seinen Inhaber*innen den Zugang zu staatlich geförderten Wohnungen gewährt (Mietrecht). Die Ausbildungsduldung ist eine Regelung des Aufenthaltsrechts. Das Verwaltungsgericht Berlin hat zuletzt mit einem Urteil schon frühere Entscheidungen dahingehend bestätigt, dass auch Personen mit Ausbildungsduldung einen Wohnberechtigungsschein (WBS) erhalten können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wohnberechtigungsschein, Ausbildungsduldung – was ist das überhaupt genau?

Der Wohnberechtigungsschein ist Teil der staatlichen sozialen Wohnungspolitik. Wer unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze verdient, erhält ihn und damit die Berechtigung, besonders günstige Wohnungen anmieten zu dürfen. Der Bund hat die Einkommensgrenze dabei auf 12.000 Euro pro Jahr für eine Person, auf 18.000 Euro für einen Zweipersonenhaushalt und auf zusätzlich 4.100 Euro je weiteres Haushaltsmitglied (Kinder) festgelegt (§ 9 WoFG). Die Bundesländer können hiervon jedoch abweichen und so darf zum Beispiel in Berlin deutlich mehr verdient werden.

Die vergünstigte Wohnung, die mit dem WBS bezogen werden kann, muss übrigens nicht aus dem Angebot einer städtischen Wohnungsgesellschaft stammen. Auch private Vermieter*innen haben WBS-Wohnungen im Angebot. Die Stadt Berlin hat eine Website geschaltet, mit der Sie berechnen können, ob Sie mit Ihrem Einkommen für einen Wohnberechtigungsschein in Frage kommen.

Die Ausbildungsduldung ist eine besondere Art der Duldung. Die Duldung allgemein spielt im Rahmen des Aufenthaltsrechts eine Rolle. Eigentlich ist das ein Euphemismus, denn wen der deutsche Staat nur duldet, der hat gerade kein Aufenthaltsrecht mehr. Geregelt ist das alles im Aufenthaltsgesetz. Ein Aufenthaltsrecht kann Ausländer*innen darin aus verschiedenen Gründen zukommen: Ausbildung (§ 16), Erwerbstätigkeit (§ 18), völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe (§ 22), Familienzusammenführung (§ 27) und weitere (§§ 37 ff). Die Duldung kommt erst ins Spiel, wenn es um die Beendigung des Aufenthalts geht (§§ 50 ff).

Ausländer*innen ohne Aufenthaltsrecht droht die Abschiebung. Die Duldung wiederum setzt die Vollstreckung der Abschiebung aus besonderen Gründen aus (§ 60a ff). Sie gewährt aber kein echtes Aufenthaltsrecht. Fällt der besondere Grund weg, kann die Abschiebung sofort vollzogen werden (allerdings gibt es in Deutschland tausende Fälle sogenannter Kettenduldungen, bei denen Duldung auf Duldung folgt und die für die Betroffenen besonders belastend sind).

Wenige Gesetze werden so oft geändert, wie das Aufenthaltsgesetz. Die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG wurde 2016 neu eingeführt. Hintergrund war, dass die Bundesregierung (jungen) Flüchtlingen eine Bleibeperspektive bei „guter Führung“ in Aussicht stellen wollte, ohne ihnen allerdings gleich ein echtes Aufenthaltsrecht zuzugestehen. Nach § 60c AufenthG werden Auszubildende grundsätzlich für die gesamte Dauer ihrer Berufsausbildung (in der Regel drei Jahre) geduldet. Danach besteht die Möglichkeit für eine sich anschließende Beschäftigung ein befristetes Aufenthaltsrecht zu bekommen (§ 19d AufenthG). Nach acht Jahren (sechs Jahre bei Familien) kann ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangt werden (§ 25b AufenthG). Es wird deutlich: Wenn alles glattläuft (es gibt allerdings viele Fallstricke), können junge Flüchtlinge trotz Ablehnung ihres Asylantrages zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis kommen.

Wohnberechtigungsschein (WBS), Ausbildungsduldung, die Bürokratie macht es einem nicht leicht!

Wie hängen Wohnberechtigungsschein und Ausbildungsduldung zusammen? Und: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.

Der Kreis der Antragsberechtigten für den Wohnberechtigungsschein wird im Wohnraumförderungsgesetz nicht konkret, sondern abstrakt bestimmt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 WoFG kann einen Wohnberechtigungsschein erhalten, wer sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten und […] rechtlich und tatsächlich in der Lage [ist], für sich und ihre Haushaltsangehörigen nach § 18 auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen […]“. Die Frage ist also, ob dies auf Personen mit Ausbildungsduldung zutrifft.

In den vom Verwaltungsgericht Berlin entschiedenen Fällen hatten das verschiedene Berliner Bezirksämter abgelehnt und keine WBS ausgestellt. Sie beriefen sich darauf, dass die Ausbildungsduldung gerade kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht sei, sondern eine Duldung bleibe. In rechtlicher Hinsicht trifft dies natürlich zu. Denn bei der Duldung wird nur die Abschiebung ausgesetzt (s.o.). Die Ausbildungsduldung steht im Aufenthaltsgesetz auch nicht bei den echten Aufenthaltstiteln, sondern im Abschnitt der Duldung. In tatsächlicher Hinsicht verleiht die Ausbildungsduldung Flüchtlingen aber eine recht lange, sichere Bleibeperspektive.

So sah es auch das Verwaltungsgericht Berlin. In seinen Urteilen vom 25. Juni 2019 – 8 K 202.18 –, 01. August 2019 – 8 K 163.19 – und 14. Januar 2021 – 8 K 81/20 – entschied es, dass die Ausbildungsduldung für einen Wohnberechtigungsschein ausreicht. Die Ausbildungsduldung verwische den aufenthaltsrechtlichen Unterschied zwischen Duldung und Aufenthaltserlaubnis. Sie solle Ausländer*innen und dem Ausbildungsbetrieb Rechtssicherheit für die Zeit der Ausbildung geben.

Die Ausbildungsduldung erlösche auch nicht einfach. Sofern sich alles so ergibt, wie gesetzlich vorgesehen, führe die Ausbildungsduldung über den oben beschriebenen Weg zu einem echten und dauerhaften Aufenthaltsrecht. Insofern sehe die Ausbildungsduldung den von der Rechtsordnung im Übrigen missbilligten „Spurwechsel“ (von Duldung zu Aufenthaltsrecht) ausdrücklich vor.

Das Verwaltungsgericht hat in meinen Augen ein gutes Urteil für die Sache der in Deutschland nur Geduldeten ausgesprochen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Sache sieht, denn es hat über dieses Thema noch nicht entschieden.

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Erst Lehre dann Studium – BAföG-Anspruch?

Dieser Fall ging bis zum Bundesgerichtshof: Eine junge Frau absolvierte erst eine Lehre und begann danach ein Medizinstudium. Doch wer muss sie unterstützen? Der Vater oder das BAföG-Amt? Ein Klassiker aus meiner Praxis!

Die Tochter absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Lehre zur anästhesietechnischen Assistentin, weil sie mit einer Abiturnote von 2,3 nicht direkt zum Medizinstudium zugelassen wurde. Erst mit 26 Jahren konnte sie das Studium beginnen.

Das BAföG-Amt wollte sich das Geld für das Studium vom Vater zurückholen. Doch dieser wusste nicht, dass seine Tochter noch mit 26 Jahren ein Studium begonnen hatte. Er dachte, mit der Lehre sei seine Tochter bereits für einen Beruf qualifiziert und somit nicht mehr finanziell von ihm abhängig.

Außerdem hatte er ein Haus gekauft und musste den Kredit abbezahlen. Mit weiteren Kosten für ein Studium – seiner bereits erwachsenen Tochter – hatte er nicht mehr gerechnet.

Eltern müssen grundsätzlich Ausbildung zahlen!

Der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 03. Mai 2017 stellte zunächst klar: Wenn ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lehre und dem Studium besteht, müssen die Eltern den Kindern Unterhalt zahlen. Zum Beispiel, wenn erst eine landwirtschaftliche Lehre und danach ein Agrar-Studium absolviert wird. Einen solchen Zusammenhang gibt es auch zwischen Anästhesietechnikerin und Ärztin.

Aber: Hier konnte der Vater nicht mehr damit rechnen, dass seine Tochter noch studieren wird. Er muss auch sein eigenes Leben planen können. Seine Tochter hatte ihn nicht darüber informiert, dass sie noch Ärztin werden möchte. Die Kosten für das Studium waren für ihn nicht planbar. Das Gericht entschied, dass ihm eine Unterhaltsverpflichtung nicht zugemutet werden kann. (BGH, Urteil vom 3.5.2017 – XII ZB 415/16)

Für Eltern ist dieses Urteil hilfreich. Denn viele Eltern haben Ihren Kindern eine Ausbildung vor dem Studium ermöglicht und finanziert.  Lassen Sie sich vom Studentenwerk nicht ins Bockshorn jagen, wenn es eine Unterhaltspflicht unterstellt. Diese muss – das zeigt der Fall deutlich – nicht zwingend vorliegen. In der Praxis behaupten die Studentenwerke aber oft das Gegenteil!

Anspruch auf BAföG kann trotzdem vorliegen

Die Tochter hatte daher am Ende einen Anspruch auf BaFöG. Auch wenn das Amt Ihren Antrag auf BaFöG zunächst nicht bewilligt, kann ein Anspruch doch noch durchgesetzt werden. Geben Sie sich nicht mit einem ablehnenden Bescheid zufrieden. Elternunabhängiges BaFöG kann es auch für unter 30-Jährige geben, wie der Fall zeigt. Mehr erfahren Sie auf meiner Spezialseite zur Ausbildungsförderung www.anwaltbafoeg.de

Kein Betrug bei Arbeitslosmeldung und rechtswidrigem BAB Weiterbezug

Ein Mandant von Rechtsanwalt Schauer wurde des Sozialbetruges beschuldigt. Er hatte eine Ausbildung begonnen und eine gewisse Zeit rechtmäßig Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bezogen. Dann brach er jedoch die Ausbildung ab.

Er ging zur Bundesagentur für Arbeit und meldete sich arbeitslos. Das BAB bezog der Mandant jedoch weiter – neben einer weiteren Sozialleistung (Hartz IV). Dies ist grundsätzlich rechtswidrig. Aber ist es Betrug? Auf den ersten Blick vielleicht und so sah es auch die BAB-Behörde und schickte eine Anzeige zur Staatsanwaltschaft.

Rechtsanwalt Schauer wies jedoch in seinem Verteidigungsschreiben an die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die BAB-Behörde immerhin genau die gleiche Agentur für Arbeit ist, bei welcher sich der Mandant arbeitslos meldete! Es mag sein, dass die Stelle, welche die Arbeitslosmeldung entgegennimmt nicht die gleiche Abteilung ist, welche für BAB zuständig ist. Aber da es sich um das gleiche „Behördendach“ handelt, hatte der Mandant faktisch nichts verschwiegen. Im Gegenteil – er hat die Behörde über eine Veränderung der Tatsache, den Abbruch der Ausbildung, informiert. Zu mehr war er nicht verpflichtet.

Die Staatsanwaltschaft sah das dann genau so und ließ die Anklage fallen. Hinweis: Die überzahlte Leistung muss der Mandant im hiesigen Fall trotzdem zurückzahlen. Aber auch hier können sich Behördenfehler einschleichen, welche für einen Widerspruch fruchtbar gemacht werden können. Lassen Sie sich bereiten und vor allem: KEINE AUSSAGE BEI POLIZEI UND STAATSANWALTSCHAFT ohne anwaltlichen Rat und Akteneinsicht!