Arbeitslosengeld 1 trotz Immatrikulation, geht das? Kann man also während oder direkt nach dem Studium ALG I erhalten, wenn man in entsprechendem Umfang gearbeitet hat? Es ist möglich, aber schwierig.
Grundvoraussetzungen für Arbeitslosengeld 1 trotz Immatrikulation
Die Frage lässt sich einen allgemeinen und einen speziellen Teil trennen. Denn um überhaupt Arbeitslosengeld 1 (ALG I) zu erhalten, müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein (siehe auch § 137 SGB III). Dazu gehören:
- Anwartschaftszeit: 12 Monate Arbeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis innerhalb der letzten 30 Monate. Minijobs und selbstständige Erwerbstätigkeiten fallen nicht hierunter. Wenn Sie häufig befristet beschäftigt waren (zum Beispiel Messebau, Komparsen, etc.), können sechs Monate Arbeitstätigkeit genügen.
- Arbeitslosigkeit und entsprechende, fristgerechte (!) Meldung beim Arbeitsamt
- Kein Ausschluss, zum Beispiel wegen freiwilliger Kündigung
- Wille zur Aufnahme einer neuen Arbeitstätigkeit
Verfügbarkeit
Die fünfte Voraussetzung der Verfügbarkeit für die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur ist die wahrscheinlich schwierigste in unserem Fall. Nach § 138 Abs. 5 SGB III erfüllt diese Anforderung, wer (unter anderem) „eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung […] ausüben kann und darf“. Denn das Arbeitslosengeld I soll nach der Konzeption des Sozialgesetzbuches nur erhalten, wer auch weiterhin arbeiten kann und will. Diese Voraussetzung ist für Studierende nun noch einmal schwieriger zu erfüllen. Denn:
„Bei Schülerinnen, Schülern, Studentinnen oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte wird vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Schülerin, der Schüler, die Studentin oder der Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt.“ (§ 139 Abs. 2 SGB III)
Im Klartext: Bei Studierenden wird davon ausgegangen, dass sie neben ihrem Studium nicht auch noch 15 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten können, ohne ihr Studium zu verzögern. Diese gesetzliche Vermutung führt dazu, dass Sie als Antragsteller:in vollumfänglich beweisen müssen, dass Sie doch 15 Stunden pro Woche übrig haben. Das bedeutet eine Umkehr der Beweislast, denn eigentlich gilt im Sozialrecht die Amtsermittlungspflicht der Behörde bzw. des Gerichts.
Die 15 Stunden müssen Sie übrigens im tatsächlichen und rechtlichen Sinne zur Verfügung haben. Das heißt, es darf sich bei Ihrem Studiengang nicht um einen Vollzeitstudiengang handeln. Sie können also nicht argumentieren, Sie seien besonders fleißig und benötigten zum Studium nicht so viel Zeit, wie dafür vorgesehen. Schon die Studienordnung muss vorsehen, dass die wöchentliche Zeit für Vorlesungen, Arbeitsgruppen und Lernen weniger als 25 Stunden beträgt (40 Stunden gesetzliche Wochenarbeitszeit minus 15 Stunden Verfügbarkeit). Genauso wenig greift die Argumentation, man sei nur zu studienfremden Zwecken immatrikuliert und gehe dem Studium nicht wirklich nach (Bundessozialgericht, Urteil vom BSG, 24.07.1997 – 11 RAr 99/96).
Fazit
Es ist schwierig, Arbeitslosengeld 1 trotz Immatrikulation zu erhalten. Unmöglich ist es aber nicht. Die Voraussetzungen sind zwar eng gefasst, aber dennoch erfüllbar, besonders wenn Sie berufsbegleitend studieren. Auch bei einem Teilzeitstudium, was immer mehr Universitäten ermöglichen, ist ein Anspruch auf ALG I eher möglich. Ich habe bereits Fälle bearbeitet, bei denen ich wenigstens vor Gericht den ALG I Anspruch für meine Mandant:innen durchsetzen konnte. Also, bleiben Sie hartnäckig, wenn Sie zunächst einen Negativbescheid von der Arbeitsagentur erhalten!