Polizeiliche Untersuchung kann Arbeitsunfall sein

Das Hessische Landessozialgericht am 17. Oktober 2017 hat zugunsten einer Arbeitnehmerin entschieden: Eine ungerechtfertigte polizeiliche Untersuchung kann ein Arbeitsunfall sein.

Service-Mitarbeiterin erlitt Schock durch polizeiliche Untersuchung

Die Klägerin war Mitarbeiterin der Deutschen Bahn, die in einem Service-Point am Bahnhof arbeitete. Dort wurde ihr ein gefundener Rucksack von der Bahnsteigaufsicht übergeben. Mit einem Mitarbeiter gemeinsam dokumentierte sie den Inhalt des Rucksacks. Später stellte sich heraus, dass Schmuck, eine Festplatte und Geld aus dem Rucksack fehlten. Die Polizei nahm die Frau mit auf das Revier. Dort musste sie sich komplett entkleiden und eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Durch diese – rechtswidrige – polizeiliche Maßnahme erlitt die Frau psychische Schäden. Sie fühlte sich hilflos, ohnmächtig und ausgeliefert. Dabei hatte sie ihren Dienst nur gemäß den Vorschriften ausgeführt!

Unfallversicherung verneint Arbeitsunfall

Laut der Unfallkasse handelte es sich bei der polizeilichen Untersuchung um eine private Verrichtung und nicht um eine Maßnahme, die im Rahmen der Arbeit erfolgte. Somit seien die psychischen Schäden nicht durch einen Arbeitsunfall erfolgt, sondern wegen einer rein privaten Tätigkeit. Dies sah das Sozialgericht auch so.

LSG stellt sich gegen die Unfallversicherung

Das Gericht in der höheren Instanz stellte sich jedoch zu Recht klar gegen die Unfallkasse. Die Klägerin hatte sich an alle Vorschriften gehalten und nur das getan, was auf der Arbeit von ihr gefordert wurde. Die Annahme von Fundsachen gehört zu ihrem Job. Allein durch ihre Aufgaben im Service-Point wurde sie von der Polizei verdächtigt, die Wertsachen aus dem Rucksack gestohlen zu haben. Der Schock wurde als Arbeitsunfall anerkannt! Dieser Skandal musste erst durch ein Gericht verhindert werden. In meiner Praxis sind die „Berufsgenossenschaften“ jedoch ähnlich „drauf“. Aber nur wer kämpft, kann gewinnen.

Kein Arbeitsunfall bei bestehender Epilepsie

In der Praxis ist die Bearbeitung von Arbeitsunfällen eine regelmäßig undankbare Aufgabe. Erstens ist die Rechtsprechung extrem streng wegen der Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Zweitens können die Berufsgenossenschaften mit diesen Freibriefen ablehnen wie die Weltmeister. Drittens verstehen die Mandanten das selten, sind oft unzufrieden und fühlen sich wie Lügner oder missverstanden.

So wird es auch dem Kläger in einem vom Sozialgericht Landshut (Urteil vom 31.07.2017, Aktenzeichen S 13 U 133/15) entschiedenen Fall gegangen sein. Der Kläger war Müllmann. Er fiel vom Trittbrett. Deswegen zog er sich schwere Kopfverletzungen zu. Daher begehrte er die Anerkennung als Arbeitsunfall. Der Kläger war zudem Epileptiker und hatte auch zur Zeit des Unfalls einen Anfall.

Das Gericht lehnte die Feststellung als Arbeitsunfall ab. Denn nach der Vernehmung von Arbeitskollegen (!) ist  der Sturz durch einen epileptischen Anfall verursacht worden, nicht als Folge der Arbeit selbst.

Wer versteht sowas? Niemand. Es scheint hier auch vollkommen gleichgültig, ob die harte Belastung der Arbeit den Anfall ausgelöst hat. So sehen das die Mandanten und in der Regel auch mit Recht. Der Unfall geschah schließlich bei der Arbeit und nicht in der Freizeit. Empfehlenswert ist in diesen Fällen in jedem Fall eine frühzeitige Beratung. So können der Verlauf des Verfahrens bestimmt und widersprüchliche Angaben verhindert werden.